Ralf Kurpiers | Vater von Peggy

Ralf Kurpiers | Vater von Peggy

Peggy | Heimkind in der Königsheide von 1980 bis 1981

 

 
Peggy Böker wurde am 26. April 1965 in Berlin geboren. Im Jahre 1979 wurde ihre Unterbringung in einem DDR-Kinderheim beschlossen. Die Zustimmung dafür wurde jedoch erzwungen. Peggys Mutter, Astrid Kurpiers, war fest entschlossen gewesen, die DDR verlassen zu wollen. Bereits im August 1970 versuchte sie mit ihrer Tochter und ihrem damaligen Verlobten über Ungarn in den Westen auszureisen. Das Vorhaben scheiterte jedoch aufgrund einer Autopanne.

Zu dieser Zeit wurde sie auch erstmals vom Ministerium für Staatssicherheit auf „Verdacht des ungesetzlichen Verlassens der DDR“ in einer Akte erfasst. Auch an einer Tunnelbau-Aktion in den Westen soll sie beteiligt gewesen sein, welche von den Behörden aufgedeckt wurde. Dies konnte jedoch nicht abschließend bewiesen werden.

Vgl. Zöllner, Angelika: Peggy Böker – Wenn ich in diese Unterlagen schaue, erkenne ich mich nicht. Heimkind in der Königsheide von 1980 bis 1981. In: Fremd bestimmte Lebenswege? Heim-Echo. Band 2. Hrsg. v. Gründungsinitiative Stiftung Königsheide e.V. Berlin 2016. S.267.

 

1976 beginnt Astrid Kurpiers schließlich damit, Ausreiseanträge zu stellen. Bis 1987 wurden es acht an der Zahl. Auch ihr damaliger Lebenspartner, Ralf Kurpiers, den sie später heiratet und der immer die Vaterrolle für ihre Kinder, insbesondere für Peggy, übernommen hatte, begann 1978 damit, Ausreiseanträge zu stellen. 
Die Behörden wollten diesen jedoch nicht stattgeben und übten in zahlreichen Verhören großen Druck auf die beiden aus, diese zurückzuziehen. Im Jahre 1976 wurde Astrid Kurpiers schließlich ein Angebot gemacht. Die Ausreise ihrer Familie werde bewilligt, wenn sie ihre älteste Tochter Peggy dem Jugendamt übergebe, sodass diese der DDR erhalten bleiben konnte. In einem Kinderheim sollte sie eine sozialistische Erziehung erfahren dürfen. Dem wachsenden Druck der vielen Verhöre, die sich schließlich über Jahre (1977 bis 1987), erstrecken sollten, konnte Peggys Mutter irgendwann nicht mehr standhalten. Im Jahr 1976 stimmte sie der Heimeinweisung ihrer Tochter zu. Die Familie bereute diese Einwilligung schnell und in der Sorge, dass es aus dem Westen aus unmöglich sei, ihre Tochter aus dem Heim zu sich zu holen, beschlossen sie, ihre Ausreise aufzuschieben.

Vgl. Zöllner, Angelika: Peggy Böker – Wenn ich in diese Unterlagen schaue, erkenne ich mich nicht. Heimkind in der Königsheide von 1980 bis 1981. In: Fremd bestimmte Lebenswege? Heim-Echo. Band 2. Hrsg. v. Gründungsinitiative Stiftung Königsheide e.V. Berlin 2016. S.265-266.

 

Nach einem anfänglichen Aufenthalt im Aufnahmeheim Alt-Stralau kam Peggy 1980 ins Kinderheim Makarenko (ehem. Königsheide). In den darauf folgenden Jahren durchlief die damals 14-jährige mehrere Heime, darunter die Durchgangsheime Dresden, Leipzig, Magdeburg, Schwerin und den Jugendwerkhof „Lilo Hermann“ in Rödern. Berichte über Peggys Heimzeit sind von Beginn an durchzogen von Ungereimtheiten. Mit einer Dauer von vier Wochen war sie ungewöhnlich lange im Aufnahmeheim Alt-Stralau untergebracht. Peggy erinnert sich an einen dunklen Bunker, in dem sie mehrere Tage eingesperrt war und an Schläge der Erzieher. Danach verschwimmen ihre Erinnerungen, aufgrund der Traumatisierung, die sie dort erlitten hat. Unterlagen aus Peggys Heimzeit berichten von Rebellionen, die zu den Versetzungen führten, doch Peggy erkennt sich in den Berichten nicht wieder. Beispielsweise ist von heimlich gestochenen Tattoos die Rede, die Peggy nie hatte. Viel eher erinnert sie sich an ihr Heimweh und die Versuche fortzulaufen, um zurück zu ihrer Familie zu kommen.

(Vgl. Zöllner, Angelika: Peggy Böker – Wenn ich in diese Unterlagen schaue, erkenne ich mich nicht. Heimkind in der Königsheide von 1980 bis 1981. In: Fremd bestimmte Lebenswege? Heim-Echo. Band 2. Hrsg. v. Gründungsinitiative Stiftung Königsheide e.V. Berlin 2016. S.270-71.)

 

Noch heute sind Peggys Erinnerungen lückenhaft und es fällt ihr schwer, über die Erlebnisse in den Kinderheimen zu sprechen. Deshalb hat sich ihr Stiefvater, Herr Kurpiers, dazu bereit erklärt, stellvertretend für seine Tochter, ihre Geschichte zu erzählen. Herr Kurpiers sieht in den zahlreichen Versetzungen Peggys, den Versuch, „ihren Willen zu brechen“ und meint damit das Verlangen, bei ihrer Familie zu sein, deren größtes Bestreben es war in den Westen, der für sie Freiheit bedeutete, auszureisen.

Im Folgenden berichtet Herr Kurpiers, wie es zur Heimeisweisung seiner Stieftochter Peggys kam.

 

 

 

 

 

 

Nachdem Peggy einen Lehrabschluss erreicht hatte, zog sie aus dem Heim aus und bald in eine eigene Wohnung und wurde, mit 18 Jahren, früh Mutter. Der Wunsch, die DDR zu verlassen und in den Westen zu gehen, war auch in Peggy übergegangen und so flüchtete sie 1989 gemeinsam mit ihrer Tochter Jenny über Ungarn.

Vgl. Zöllner, Angelika: Peggy Böker – Wenn ich in diese Unterlagen schaue, erkenne ich mich nicht. Heimkind in der Königsheide von 1980 bis 1981. In: Fremd bestimmte Lebenswege? Heim-Echo. Band 2. Hrsg. v. Gründungsinitiative Stiftung Königsheide e.V. Berlin 2016. S.277.

 

Bereits nach der Wende, im Jahre 1990, wurde es auch dem Rest der Familie Kurpiers möglich, ihrer Tochter in den Westen zu folgen – sie wurden als unerwünschte Personen aus der DDR ausgewiesen.

(Vgl. Zöllner, Angelika: Peggy Böker – Wenn ich in diese Unterlagen schaue, erkenne ich mich nicht. Heimkind in der Königsheide von 1980 bis 1981. In: Fremd bestimmte Lebenswege? Heim-Echo. Band 2. Hrsg. v. Gründungsinitiative Stiftung Königsheide e.V. Berlin 2016. S.276.)

Die Familie fand schließlich in Lüneburg wieder zusammen.
Dort wurde auch die Presse auf die Kurpiers, deren Geschichte geprägt ist vom Wunsch nach Freiheit, der Rebellion dagegen, diese nicht gewährt zu bekommen und dem Bestreben nach einem Zusammensein als Familie, aufmerksam. In diesem Rahmen veröffentlichte das Lüneburger Tageblatt den Artikel „Peggy flüchtete mit Kind und Kuscheltier“.

 

Ralf Kurpiers | Vater von Peggy 
Projektarbeit von Julia Wacker | Marlene Moser